Der Astrotracer

Bild 1: Orion-Nebel, aufgenommen 1983. Kleinbild SLR, Cosina-Objektiv 135mm f2.8, Schwarzweißfilm mit 100ASA/ 21 DIN. Belichtungszeit ca 30 Minuten.

Einführung

Sterne, Gasnebel, Galaxien am Nachthimmel fotografieren – Bis vor 10 Jahren noch die Königsdisziplin für ambitionierte Hobbyfotografen. Die älteren erinnern sich eventuell noch an Zeiten, als man seine Spiegelreflex auf ein motorbetriebenes Teleskop geschnallt hat, eine Stunde belichtete und dann stolz wie Bolle auf ein verwaschenes Schwarz-Weiß Bild war, auf dem man irgendwo der Orion-Nebel erkennen konnte.

Mittlerweile hat sich einiges in der Kameratechnik getan, speziell nach der Einführung der Digitalfotografie. Und gerade im Bereich der Hobby-Astrofotografie, durch die Weiterentwicklung der Sensortechnik und den Möglichkeiten der Foto-Nachbearbeitung am heimischen PC, können jetzt Hobby-Astronomen Bilder machen, für die man vor 30 Jahren noch eine mittelgroße Sternwarte benötigt hätte. Und der Orion-Nebel sieht mittlerweile so aus:

Bild 2: Der große Orion-Nebel, aufgenommen mit der Pentax K-3 und Tamron 70-200mm F2.8 vom Stativ, mit Pentax Astrotracer. Das Bild ist ein Stack aus 145 Einzelaufnahmen, mit einer Gesamtbelichtungszeit von mehr als 40 Minuten.

Fotografieren mit dem Astrotracer und ohne Nachführung

wie geht das eigentlich?

Trotzdem hat man immer noch das Problem, dass man den Sternenhimmel „nachführen“ muss, sobald man längere Belichtungszeiten als ein paar Sekunden hat (einen Anhaltspunkt über die längst möglichen Belichtungszeiten ohne Nachführung gibt die Tabelle unten ).

Maximal mögliche Belichtungszeiten bei stehender Kamera, aus Stefan Seip "Himmelsfotografie mit der digitalen Spiegelreflexkamera"

Das heißt: Doch wieder ein großer Aufwand: Man braucht ein stabiles Stativ, darauf eine Nachführung mit Motor, auf die die Kamera gesetzt wird. Diese Nachführung braucht Strom (Steckdose oder große Batterie), und vor allem: Sie muss nach dem Aufbau „eingenordet“ werden: Dazu braucht man freie Sicht auf den Polarstern und ist einige Zeit mit dem Justieren beschäftigt. Und wenn man mal auf die Südhalbkugel zum Fotografieren fährt, kann man die Nachführung normalerweise nicht gebrauchen. Aber: es geht auch deutlich einfacher! Der DSLR Kamerahersteller Pentax/Ricoh hat es geschafft, seinen beweglichen Kamerasensor (als Teil des „Shake-Reduction“ Systems zur Verhinderung von Verwacklungen bei längeren Belichtungszeiten) mit einem GPS System softwaremäßig zu koppeln. Im Prinzip bekommt man damit eine in die Kamera eingebaute Nachführung! Dieses System heiß „Astrotracer“

Der beweglich aufgehängte Bildsensor in einer Pentax K-1 DSLR: Bild: Pentax/ Ricoh K-1 Werbebroschüre 
GPS Modul O-GPS1 auf einer Pentax Kamera: Bild: Pentax/ Ricoh Webseite zum GPS-Modul O-GPS1

Der Astrotracer ist in allen neueren Pentax-DSLR als Funktion in der Kamerasoftware enthalten. Die Modelle mit eingebauten GPS Modul (K-1, K-1ii und K-3ii) können ohne weitere Hardware sofort verwendet werden. Für die Kameratypen KP, K-70, K-3, K-S1, K-S2, K-5, K-5ii, K-50, K-30, K-r und K-01 benötigt man noch das separat erhältliche GPS Modul O-GPS1.

Wie funktioniert nun der Astrotracer genau?

Um diese Frage zu beantworten, muss man sich erst einmal ansehen, was der Astrotracer leisten soll: Er soll den Sensor als astronomische Nachführung mit der  scheinbaren Bewegung des Sternenhimmels mitbewegen. Dazu braucht die Bewegungssteuerung für den Sensor folgende Informationen:

  • Ort auf der Erdoberfläche (davon eigentlich nur die geografische Breite, da damit die Höhe des Himmelspols über dem Horizont gegeben ist)
  • Die Lage der Kamera im Raum, d.h.:
    • Richtung, in der die Kamera schaut (im Prinzip die Himmelsrichtung und die Neigung gegen die Waagerechte)
    • Lage der Kamera zum Horizont (wie „schief“ oder „verdreht“ liegt die Kamera zur Waagerechten, siehe "inclination" im nebenstehenden Bild)
  • Brennweite des Objektivs

Damit ist die Kamera dann in der Lage, den Sensor in 3 Achsen (hoch/ runter, rechts/links, drehen) mit dem Sternenhimmel mit zu bewegen.

Schematische Darstellung der Erfassung der lage und Blickrichtung einer Pentax Kamera mit GPS Modul. Bild: Pentax/ Ricoh Webseite zum GPS Modul O-GPS1

Was braucht man nun dafür? Eigentlich die gleichen Messsysteme, die heute jedes Handy hat:

  • Einen GPS Sensor: Mit dem eingebauten GPS lässt sich der Ort auf der Erdoberfläche recht genau (+/- 10m) bestimmen. Das Problem ist, dass das GPS für stillstehende Objekte (und eine Kamera auf Stativ steht ja meistens still) NUR den Ort bestimmen kann und keine Himmelsrichtungen. Erst wenn sich das GPS bewegt (z.B. im Auto) kann aus der Bewegung (und damit durch den Unterschied der Ortskoordinaten), eine Richtung berechnet werden. 

  • Daher braucht man weitere Sensoren für die Lage im Raum. Erst einmal kann man auf einen Schwerkraftsensor zurückgreifen, wie er z.B. in den „Handywasserwaagen“ benutzt wird, oder dazu, das Handydisplay von vertikal auf horizontal umzuschalten, wenn man das Handy dreht.
  • Jetzt braucht man noch eine weitere Richtung, damit man die Lage im Raum genau bestimmen kann: Hier kommt der Magnetfeldsensor ins Spiel, der, ähnlich wie bei einer „Kompass“ App, die Nordrichtung ermittelt. Allerdings hat sich Pentax hier noch etwas einfallen lassen, um die Genauigkeit zu erhöhen: Durch den vom GPS-System ermittelten Punkt auf der Erdoberfläche lässt sich auch die Abweichung von der magnetischen zur wahren Nordrichtung ermitteln (wahrscheinlich enthält das GPS-System eine einprogrammierte Tabelle). Der Kompass in der Kamera weist daher ziemlich genau die wahre Nordrichtung.

  • Basierend auf diesen 2 Richtungen („Unten“ und „Norden“) kann dann ein Koordinatensystem im Raum definiert werden. Danach kann man die „Lage“ der Kamera zu diesem Koordinatensystem, also die 3 Raumkoordinaten, bestimmen: Dazu braucht man 3 Bewegungs-Sensoren in den 3 Raumebenen, die die Drehung der Kamera zum Koordinatensystem in Winkel umrechnen. Diese müssen allerdings zuerst einmal kalibriert werden, um die Nulllage zu bestimmen. Hierzu ist der sogenannte „Pentax Tanz“ erforderlich, bei dem die Kamera in den 3 Raumebenen gedreht wird.

    Schematische darstellung der Ermittlung der "wahren" Nordrichtung aus dem GPS daten und der magnetischen Nordrichtung. Bild: Pentax/ Ricoh Webseite zum GPS Modul O-GPS1
    Der sogenannte "Pentax-Tanz": Bewegung der Kamera zur Kalibrierung des GPS Moduls. Bild: Pentax/ Ricoh webseite zum GPS Modul O-GPS1

    Dazu hat Pentax auch ein kurzes Video auf YouTube hochgeladen:  https://www.youtube.com/watch?v=0rW4XNbLYt0

    Übrigens gibt es diese Kalibrierung nicht nur bei der Pentax-Kamera, auch einige Handy Apps (z.B. einige Wasserwaagen-Apps) nutzen diese Bewegungen zur Kalibrierung des Bewegungs- und Lage-Messystems. 

    Was kann der Astrotracer genau?

    Pentax hat, sehr gut versteckt in der Produktspezifikation des GPS-Moduls auf der japanischen Pentax-Seite, einige Kennzahlen für den Astrotracer an den verschiedenen Kameras gegeben.

    http://www.ricoh-imaging.co.jp/english/products/o-gps1/spec.html

    Hier wird z.B. die Genauigkeit des GPS und des Kompasses angegeben. Auch sind hier für die verschiedenen Kameramodelle die maximalen Belichtungszeiten angegeben, abhängig von Brennweite und auf welche Höhe des Himmels die Kamera ausgerichtet ist. Hintergrund ist, dass der Kamerasensor nur in gewissen Grenzen bewegt werden kann. Hat der Sensor seine maximale Auslenkung erreicht, beendet die Kamera die Belichtung.

    Wie man hier sehen kann, sind mit den Astrotracer also Belichtungen bis zu 5 Minuten möglich (bei kleiner Brennweite unter 50mm). Bei längeren Brennweiten gehen die Belichtungszeiten dann entsprechend zurück. Allerdings sind diese Zeiten für die Astrofotografie heute mehr als ausreichend. Normalerweise benötigt man nicht mehr als 30 bis 60 Sekunden pro Aufnahme. 

    Wo liegen die Grenzen und was kann der Astrotracer nicht?

    Nun aber zu den Limitierungen, die das System hat, und die bei der Fotografie zu berücksichtigen sind:

    1. Man benötigt für den Astrotracer keine astronomische Montierung, sondern arbeitet vom Stativ aus. Das hat viele Vorteile, bringt aber auch den Nachteil mit sich, dass man wissen muss, wo sich die zu fotografierenden Objekte befinden. Man kann nicht anhand von Positionsdaten die Koordinaten des Zielobjekts einstellen (oder eventuell seiner „GoTo“ Montierung sagen, was man einstellen will) Man muss wissen, wo sich das zu fotografierende Objekt befindet. Das bedingt, das man sich am Sternenhimmel zurechtfindet und das Objekt im Sucher optisch einstellt.
    2. Das ist wahrscheinlich die trivialste, aber auch die schwerwiegendste Einschränkung: Die Kamera steht auf einem Stativ und wird nicht mitbewegt. Alles, was sich für die einzelnen Aufnahme mitbewegt, ist der Sensor, und der kehrt nach der Aufnahme wieder in die Nullstellung zurück. Dies ist eigentlich kein Problem, nur wenn man Serienaufnahmen macht (benötigt man zum „Stacken“, dazu weiter unten mehr), wandert einem das Objekt langsam aber sicher aus dem Bild. Man muss also regelmäßig die Kamera nachjustieren, und dabei hoffen, dass man wieder den selben Bildausschnitt bekommt.
    1. Eine weitere Limitierung hat mit der Genauigkeit des GPS Moduls zu tun: Während die Position auf 10m genau bestimmt wird, ist die Genauigkeit des Kompasses mit +/- 5° angegeben. Hinzu kommt, dass der Asrtotracer den Sensor in "Schritten" (Schrittlänge ist ca. 1 sec.) und nicht kontinuierlich nachführt. Das führt dazu, das wenn man den Astrotracer bei langen Brennweiten „ausreizt“ (also zu langen Belichtungszeiten geht), dass man doch strichförmige Sterne bekommt. Hier ist die „Nachführung“ durch den Sensor einfach nicht genau genug. Nach meinen Erfahrungen liegt dir Grenze, bis zu der der Astrotracer verwertbare Aufnahmen liefert, zwischen 300 und 500mm Brennweite. Bei 500mm Brennweite lohnt es sich, ein paar Testaufnahmen zu machen um zu sehen, ob die Nachführung stabil läuft oder ob sich die Sterne bereits zu Strichen verformen. Solle dies der Fall sein, am Besten das GPS einmal aus- und wieder einschalten und die Kamera neu kalibrieren. Wenn dies nicht hilft, die Belichtungszeit auf maximal 20 sec. heruntersetzen. 500mm Brennweite sind möglich, aber müssen ein wenig probiert werden.
    2. Um es nochmal zu betonen: Lange Brennweiten, die man für den Mond oder die Planeten braucht, sind nichts für den Astrotracer. Die Belichtungszeiten werden einfach zu kurz, und die Genauigkeit der Nachführung ist für Jupiter oder Saturn bei 1500mm Brennweite einfach nicht gut genug. Für die Planeten braucht man dann doch ein motorbetriebenes Teleskop. Und der Mond ist (wenn man nicht gerade Ausschnitte mit ultralangen Brennweiten fotografiert) so hell, dass man mit Belichtungszeiten arbeiten kann, bei denen man nicht nachführen muss. Der Mond geht also im Regelfall OHNE Astrotracer.

    Alles in Allem muss man selbst ausprobieren, wie weit man mit dem Astrotracer geht. Das hängt dann auch vom Kameramodell und dem Standort ab.

    Aber: Der Astrotracer funktioniert innerhalb seiner Grenzen gut, und er kann mit den handelsüblichen Kameranachführungen durchaus mithalten. Und wenn man später mehr will, sollte man sich dann am besten ein kleines Teleskop anschaffen.